Rentenpaket II
Stellungnahme zum Entwurf eines Rentenniveaustabilisierungs- und Generationenkapitalgesetzes
Der Referentenentwurf für das Rentenpaket II sieht im Wesentlichen vor, das Rentenniveau (Sicherungsniveau vor Steuern) in der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) bei 48 Prozent längerfristig bis zum 30.6.2040 zu sichern und mit dem „Projekt Generationenkapital“ in die teilweise Kapitaldeckung in der GRV einzusteigen.
Zuerst die gute Nachricht:
Die am 19.3.2024 bekanntgegebene Rentenanpassung zeigt wieder einmal die Stärke und Zuverlässigkeit der gesetzlichen Rente. Die Renten der mehr als 21 Millionen Rentner*innen werden zum 1. Juli um 4,57 Prozent steigen. Die Ren-tenanpassung ist damit höher als die Inflation, die im Februar bei 2,5 Prozent lag.
Seit 2014 haben sich die Renten im Westen jahresdurchschnittlich um 2,9 Prozent, die Renten im Osten um 3,9 Prozent erhöht. Die Verbraucherpreise stiegen im selben Zeitraum um durchschnittlich 2,4 Prozent jährlich. Auch wenn die Inflation der letzten Jahre außerordentlich hoch war, zeigt sich doch, dass die Rentner*innen an der guten Lohnentwicklung der Erwerbstätigen, die ver.di maßgeblich miterkämpft hat, teilhaben. Von der Rentenanpassung profitieren übrigens auch die heute Jungen, denn sie steigen später, wenn sie in Rente gehen, „höher“ ein als ohne gute Anpassung.
Weiter zum Referentenentwurf:
Stabilisierung des Rentenniveaus vor Steuern bei 48 Prozent und weitere Maß-nahmen die GRV betreffend
Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die Stabilisierung des Sicherungsniveaus bei 48 Prozent als einen wichtigen, aber längst nicht ausreichenden Schritt zur Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV). Soll die gesetzliche Rente als tragende Säule der Alterssicherung für die heutigen und künftigen Rentner*innen verlässlich ein auskömmliches und nahezu lebensstandardsicherndes Leistungsniveau garantieren, ist ein Rentenniveau vor Steuern von mindestens 53 Prozent erforderlich.
Zu kritisieren ist, dass das Rentenpaket II das Thema Armut im Alter in keiner Weise aufgreift. Um Altersarmut wirksam zu begegnen sind deutlich verbesserte Mindestsicherungselemente in der GRV zwingend erforderlich. Höhere Beitragssätze und Steuerzuschüsse sind dabei ebenso unumgänglich wie eine faire Besteuerung von Vermögenden zur Finanzierung einer angemessenen Alterssicherung in der GRV.
Den Einstieg in die Kapitaldeckung in der GRV hingegen lehnt ver.di entschieden ab, da das „Modell Generationenkapital“ ein gefährlicher, unverantwortlicher und sozialpolitisch nicht erforderlicher fundamentaler Irrweg ist. Auch wenn mit diesem Gesetzesvorhaben (noch) keine Beitragsmittel in einen Kapitalstock fließen, ist zu befürchten, dass, wenn erst einmal die Struktur eines Generationenkapitals aufgebaut ist, auch Beitragsmittel – nach schwedischem Vorbild – in den Fonds fließen, zumal bereits jetzt absehbar ist, dass die vorgesehenen Mittel bei weitem nicht ausreichen werden, um, wie vorgesehen, ab dem Jahr 2036 Erträge von durchschnittlich 10 Mrd. Euro jährlich an die GRV auszuschütten. Ein politisch anders zusammengesetzter Bundestag kann mit seiner Mehrheit problemlos Änderungen in einem förmlichen Gesetz beschließen. Würden Beitragsmittel in einen kapitalgedeckten Fonds fließen, hätte dies beträchtli-che Leistungskürzungen zur Folge. Nicht nur die Rentenausgaben würden absinken, sondern auch die damit zusammenhängenden Bundeszuschüsse. Der Schaden für die GRV wäre immens.
Aufbau eines Generationenkapitals
Die Einführung eines Generationenkapitals ist der Einstieg in eine grundsätzliche Neuausrichtung der GRV und hat einen fundamentalen Umbau zur Folge, der zu Leistungsabbau und Schwächung der GRV führen kann.
Nicht nur der grundsätzliche Strukturwandel, der mit dem Generationenkapital vorgenommen werden soll, ist abzulehnen. Auch das mit diesem Referentenentwurf vorgestellte „Modell Generationenkapital“ zeigt gravierende Schwächen. Es bindet eine große Menge an Kapital in einem Fonds, von dem nicht absehbar ist, ob er tatsächlich die erwartete Summe erwirtschaftet. Sollten beispielsweise die Zinsen für die Kreditaufnahme, also die Zinsen auf Bundesanleihen, steigen, sinkt der erwartete Gewinn deutlich. Auch ist nicht garantiert, dass der Fonds die erforderlichen sieben Prozent Verzinsung erwirtschaftet. Erst nach rund zehn Jahren besteht Klarheit, ob und welcher Beitrag zur Beitragssatzstabilität erreicht werden konnte. Das Generationenkapital entpuppt sich als „Blindflug“ oder „Wette auf die Zukunft“ ohne heute garantierten Nutzen für die Versicherten. Selbst wenn die Rechnung im Jahr 2026 „aufgeht“ und die anvisierten 10 Mrd. Euro an die GRV überwiesen werden können, sind damit kaum nennenswerte Beitragssatzsenkungen zu erreichen. Im Jahr 2040 würde es nur zu einer Beitragssatzentlastung von 0,3 Beitragssatzpunkten kommen; im Jahr 2045 zu einer Entlastung von 0,4 Beitragssatzpunkten. In heutigen Werten gerechnet würde dies bei einem Monatsentgelt von 2.500 Euro zu einer Beitragsentlastung jeweils für Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen von 3,75 Euro bezogen auf das Jahr 2040 und jeweils 5 Euro bezogen auf das Jahr 2045 führen. Insofern stehen bereits Aufwand und möglicher Ertrag bei dem „Modell Generationenkapital“ in keinem nachvollziehbaren und erklärbaren Verhältnis.
Eine Finanzierung auf Pump, weitreichende verpflichtende Kosten und der daraus resultierende Druck, eine hohe Rendite zu erwirtschaften, erzeugt zudem das Risiko, in riskante Anlagen zu investieren, zumal auch keine gesetzliche Verpflichtung besteht, nachhaltig, umweltbewusst und sozial ethisch vertretbare Anlagen zu wählen. Eine Anlage ohne ESG-Kriterien und ohne Aufsichtsregime lehnt ver.di ab.
ver.di Stellungnahme
Die vollständige ver.di-Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Bundesministeriums der Finanzen vom 4.3.2024 zum Entwurf eines Gesetzes zur Stabilisierung des Rentenniveaus und zum Aufbau eines Generationenkapitals für die gesetzliche Rentenversicherung (Rentenniveaustabilisierungs- und Generationenkapitalgesetz) steht auf unserer Webseite rente.verdi.de zur Verfügung.
Fragen und Antworten zum Referentenentwurf gibt es auf der Webseite des Bundesministeriums der Finanzen.
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